DRK-Präsident Dr. Rudolf Seiters: „Die nächste humanitäre Katastrophe kündigt sich am Horn von Afrika an“
Vor dem Hintergrund der Hungersnot am Horn von Afrika ist Europa auf eine neue Flüchtlingswelle schlecht vorbereitet, schreibt DRK-Präsident Dr. Rudolf Seiters in einer Gastkolumne für das Redaktionsnetzwerk Deutschland (28. März 2017):
„An Warnungen fehlt es nicht: Die Vereinten Nationen und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz sehen die Gefahr, dass mehr als 20 Millionen Menschen am Horn von Afrika verhungern. Die menschliche Katastrophe in Syrien mit Millionen Flüchtlingen ist noch in vollem Gang, da kündigt sich bereits das nächste humanitäre Desaster an. Es liegt nicht nur an Dürre und Klimawandel. Besonders im Südsudan, in Nigeria, Somalia und im Jemen sind es auch Gewalt, Bürgerkrieg und Vertreibungen, die die Lage verschärfen.
Kurzfristig ist eine schnelle Nothilfe erforderlich, um den Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen und sie mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Doch die internationale Staatengemeinschaft tut sich schwer, die notwendigen Gelder dafür locker zu machen. Dabei sollten wir uns nichts vormachen: Lösen wir die Probleme vor Ort nicht, sind diese Menschen - um zu Überleben - gezwungen, sich auf den Weg zu machen. Viele davon werden auch nach Europa kommen.
Auf eine neue Flüchtlingswelle ist Europa allerdings schlecht vorbereitet. Sicherlich: In Deutschland würden sich bei der Registrierung und Unterbringung von Flüchtlingen solche chaotischen Szenen wie im Herbst 2015 wohl nicht mehr abspielen. Behörden und Helfer haben sich seither sehr viel Professionalität angeeignet und notwendige Strukturen aufgebaut. Doch vor allem die Europäische Union hat es versäumt, die notwendigen Lehren zu ziehen. Griechenland etwa wäre bei einer neuen Flüchtlingswelle in diesem Sommer erneut überfordert. Die längst beschlossene Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien auf andere EU-Länder läuft nur schleppend. Von einer gemeinsamen europäischen Asyl- und Einwanderungspolitik kann ohnehin keine Rede sein. Deshalb darf keine Zeit verschwendet werden, um den Menschen am Horn von Afrika direkt zu helfen.“